«Ziel ist es, mit späteren Eintritten ins Spital die Gesundheitskosten zu senken»
Der Geschäftsführer der Angehörigen-Spitex über ihre Funktionsweise und Vorteile.
Wie funktioniert die Angehörigen-Spitex?
Unternehmen, die eine Betriebsbewilligung als Spitex haben, stellen Menschen an, die ihre Angehörigen gegen Lohn pflegen. Ich arbeite als Geschäftsführer der Angehörigen-Spitex mit drei Unternehmen zusammen: Spitex 24, private Care und reha at home in den Kantonen Aargau, Basel-Stadt und -Land, Bern, Luzern, Solothurn und Zürich. Die pflegenden Angehörigen werden von Pflegefachkräften bei ihrer Arbeit betreut und müssen innerhalb eines Jahres einen Kurs in Pflegehilfe oder eine gleichwertige Ausbildung absolviert haben.
Welches sind die Vorteile der Angehörigen-Spitex?
Mitmenschen, die ihre Ange-hörigen selber pflegen, erhalten für ihre Arbeit einen Lohn – zurzeit sind das 36 Franken pro Stunde – und vor allem auch Wertschätzung für eine nicht selbstverständliche Leistung. Ausserdem werden sie von ausgebildeten Pflegefachkräften begleitet und überwacht. Das erhöht die Pflegequalität. Das Ziel des Konzepts der pflegenden Angehörigen ist es letztlich, mit weniger oder späteren Eintritten ins Spital oder Pflegeheim sowie mit weniger Arztbesuchen die Gesundheitskosten zu senken. Und nicht zuletzt werden dringend benötigte Pflegekräfte ausgebildet – eine Antwort auf den herrschenden Pflegenotstand.
Findet die Angehörigen-Spitex häufig Anwendung oder eher nicht?
In der Schweiz pflegen etwa 300 000 Menschen ihre Angehörigen, doch nur ein Bruchteil von ihnen erhält auch Lohn dafür. Die meisten pflegenden Angehörigen decken also einen Bedarf ab, der eigentlich von einer Spitex abgedeckt werden müsste.
Weshalb ist das so?
Ausgangspunkt ist ein Bundesgerichtsentscheid von 2019: Er besagt, dass Angehörige zwar nicht für Behandlungspflege, jedoch für Grundpflege von den Krankenversicherungen abgegolten werden können. Viele wissen das gar nicht. Aber man muss auch zwischen Grundpflege und Betreuung unterscheiden. Der Umfang der Grundpflege ist klar in der Krankenpflege-Leistungsverordnung definiert, und nur diese darf den Krankenversicherungen in Rechnung gestellt werden. Betreuung ist keine Leistung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und daher nicht entschädigungsberechtigt. Ein weiterer Grund liegt darin, dass man sich als pflegender Angehöriger, pflegende Angehörige nicht in den Mittelpunkt stellen möchte, weil es seit Generationen so ist, dass man innerhalb der Familie selbstverständlich unentgeltlich pflegt. Manuela Talenta